Leçons de Ténèbres

2006 Gedichtband veröffentlicht von Editions Comp'Act

« Die Anfänge sind immer neu anzufangen. Also heißt es: wieder anfangen. Von vorne anfangen. Mit dem gleichen Gefühl. Immer dem gleichen. Ununterbrochen wieder beginnen, die gleichen Sachen schreiben, sie umschreiben, versuchen, sich verständlich zu machen, sich Gehör zu verschaffen, selbst wenn das Abenteuer umsonst ist und dieses der Regel ebenfalls nicht entgeht. Man muss dennoch daran glauben. Niemals nichts loslassen, sich an die Wörter klammern, keines verlieren. Das wiederaufnehmen, was herunterfällt. Und wenn es verloren scheint, sich von ihm bedrängen lassen, bis es wiederkommt, bis es wieder seinen Platz einnimmt der ihm zusteht. Bis es den Takt der Uhren wiederfindet und die Ordnung der Wolken. Niemals etwas loslassen bis der Körper uns sagt, dass es nichts mehr zu sagen gibt. Denn nur dann erscheint etwas von der Seele. Denn nur dann wird aus dem Atem Geruch. Und die Note wird zur Fuge.  »

Ekstasen der Leere

« Ein Spektralleib, der unaussprechliche Wahrheiten hinausschreit, jede Geschichte vereitelnd, und das, was niemals ein Lied abgeben könnte, von einem Ende zum anderen verkettet. Ein Körper der Worte, der von Beginn an weiß, dass ‘die Anfänge immer neu anzufangen sind’, dass die Antriebskraft schnell nachlässt, aber dass das kein Grund ist aufzugeben. ‘Niemals etwas loslassen bis der Körper uns sagt, dass es nichts mehr zu sagen gibt. Denn nur dann erscheint etwas von der Seele.’

Teufelsspirale einer Rede, die sich im Kreise dreht, wo die Wörter wieder auftauchen, die uns erlösen, und wo versucht wird das Unnennbare zu sagen. So etwas wie eine nicht mögliche Röntgenaufnahme des Nicht-Existierenden. Eine Schallwelle, ein Durcheinander von Anrufen und Beiseite gesprochenem, von Geständnissen und Niederlagen, die die ersten Takte einer Polyphonie in Musik umsetzen wollen, die unaufhörlich Tod und Lust auseinanderreißen, die Gewalt des Wirklichen und die Ohnmacht es auszusprechen. « Ich kann in der Tiefe meiner Kehle nicht mehr Tausende Bücher haben, die bereits tausendmal verbrannt worden sind ».

Verschwundene Spannungen, Gescheiterte, rhythmisch eingeatmetes Unmögliches, das sich selbst aufrollt bevor es sich aufhebt.

Eine Schrift in Salpetersäure, die ebenso die Reinheit der Messerscheide wie das Schwindelgefühl, das einen wahnsinnig macht, hervorhebt. « Das einzige Mittel dem Abgrund zu entkommen, ist, in ihn hinabzusehen, ihn zu messen, ihn auszuloten und in ihn hinabzusteigen. ». Und es gibt tatsächlich einen Abstieg in die Hölle, eine Höllenfahrt, in diesen Leçons de ténèbres, was einem Theatermann mit einem prädestinierten Namen geschuldet ist, der die Nacht der sinnlichen Genüsse und die Abgründe des Seins unter den Geheimnissen der Poesie inspiziert, und das in einer Schreibweise deren quälende Anstrengung hin zur Form und zur Schönheit offensichtlich dem Wunsch entspringt, die Angst des Unaussprechlichen auszutreiben. »

Richard Blin, Le Matricule des Anges, Juni 2006.